Zum 85. Geburtstag von Karl „Charly“ Lehmann
Ein Leben ganz im Zeichen des Tischtennissports
Von Thomas Holzapfel
Es war im Jahr 1956, als der erste Grand Prix de la Chanson, der jetzt Eurovision Song Contest heißt, in der Schweiz über die Bühne ging. Und als die Tagesschau im Westen Deutschlands nun sechs Mal in der Woche zur Ausstrahlung kam. Dagegen liest sich eher unspektakulär, dass Karl Lehmann, den alle nur „Charly“ nennen, eben in jenem Jahr seinen Spielerpass mit der Nummer „1936“ im heimatlichen Karlsruher TV ausgehändigt bekam. Doch die Auswirkungen waren nicht minder richtungsweisend, zumindest für den Tischtennissport. Am 12. Dezember feiert der jahrzehntelang tätige Erfolgstrainer seinen 85. Geburtstag.
Auf irgendwelchen Besuch ist Charly Lehmann an seinem Ehrentag nicht aus. „Gar nicht“, lautet seine lapidare Antwort auf die Frage, wie er denn sein persönliches Jubiläum feiern werde, „der Geburtstag spielt bei mir keine große Rolle und meine Kellerbar, in der wir früher oftmals zusammenkamen, hatte ich auch schon länger nicht mehr im Einsatz.“ Keine Frage, es ist auch jetzt, im reiferen Alter, nicht die Art von Lehmann, sich selbst in den Vordergrund zu rücken. Vermutlich auch mit ein Grund, weshalb ihm die Trainertätigkeit mehr ans Herz gewachsen war als die Spielerkarriere. Dabei konnte sich schon die spielerische Klasse des Karlsruhers sehen lassen: Bis in die Zweite Bundesliga hatte er es mit seinem Barna-Belag geschafft. Lehmann war ein Allround-Talent, nicht nur im Tischtennis. „Ich hätte es wohl auch im Handball oder Basketball einigermaßen weit bringen können, da war ich beim Karlsruher SC jeweils im Probetraining“, erinnert er sich noch gut. Doch die Entscheidung fiel schnell zu Gunsten des schnellen Sports mit dem kleinen Ball.
Nach einem Sportstudium auf Lehramt unterrichtete Charly Lehmann 22 Jahre lang nebenher auf dem Karlsruher Friedrich-List-Wirtschaftsgymnasium, seinem Hauptberuf ging er jedoch beim Landessportverband nach. Im Alter von 30 Jahren begann Lehmanns Engagement an der Bande als Honorartrainer im Badischen Tischtennisverband, erst für wenige Stunden in der Woche, dann ab 1978 im Rahmen eines Halbtagesjobs und ab 1985 „full time“. Zu Beginn der 1990er Jahre, als die ARGE ins Leben gerufen wurde, war Charly Lehmann gesamtheitlich für das baden-württembergische Tischtennis im Einsatz. „Wir hatten zu Beginn vier Trainer beim LSV, neben Charly waren das noch Sönke Geil, Martin Ostermann und Rudolf Melegi“, sagt Klaus Hilpp, Ehrenpräsident des Badischen Tischtennisverbandes.
Unter Lehmanns Fittichen gaben sich zig Talente die Klinke in die Hand, der Coach hatte Gespür und Auge für den ambitionierten Nachwuchs. Da er über zwei Jahrzehnte als Technik- und Koordinationstrainer in Diensten des Deutschen Tischtennisbundes war, hatte er sie alle im Training: Steffen Fetzner, Jörg Roßkopf, Timo Boll, Patrick Franziska – das Who-is-Who des deutschen Tischtennissports war in irgendeiner Weise mit Charly Lehmann verbandelt. „Ich habe meinen ganzen Keller noch voll mit Trainings-Videokassetten“, sagt der Karlsruher, der eigentlich mehr in der Sportschule Schöneck zuhause war. „Das ist sein Wohnzimmer“, sagte Horst Haferkamp schon vor 20 Jahren, als er für die ARGE LS Baden-Württemberg die Laudatio zur Verabschiedung von Charly Lehmann in den Ruhestand hielt. „Ich habe heute noch den Generalschlüssel für die Sportschule“, sagt der Jubilar mit einem Lächeln.
Charly Lehmanns Fachkompetenz suchte seinesgleichen, vor allem in puncto Technikschulung und Beinarbeit machte dem Inhaber der A-Lizenz keiner etwas vor. Satte zwölf Ordner mit Trainingsunterlagen übergab er an die DTTB-Nachwuchstrainerin Eva Jeler, bis 2006 war er eng im Talentprogramm des Tischtennisbundes involviert. „Tischtennis war ein Großteil seines Lebens“, sagt Klaus Hilpp, „Spieler wie Hermann und Kathrin Mühlbach sind extra aus Ostdeutschland ins Badische gezogen, um sich unter Charly weiterzuentwickeln. Und der Aufwand, den er betrieb, war enorm. So etwas wie ein Zeitkonto kannte Charly nicht.“
Noch heute verfolgt Charly Lehmann das Sportgeschehen. „Ich gucke alles“, sagt er. Und nicht selten ist auch noch seine Tischtennis-Expertise gefragt. „Es gibt immer wieder Vereine, die mich kontaktieren, weil sie irgendwelche Fragen zur Talentsichtung haben.“ Sicher ist: Sollte diesbezüglich an seinem Geburtstag das Telefon klingeln, würde er sich auch hier alle Zeit der Welt nehmen. Der eigene Geburtstag ist schließlich nicht so wichtig.
Die ARGE Leistungssport Baden-Württemberg gratuliert Charly Lehmann herzlich zum 85. Geburtstag und wünscht weiterhin beste Gesundheit!
Fotos: VDTT